Weiße Wandfarbe mit Kühlungseffekt
20.07.2021
Xiulin Ruan mit seiner Laborprobe der weltweit weißesten Farbe.
Wie schnell es selbst in unseren Breitengraden unerträglich heiß werden kann, das haben die vergangenen Dürresommer gezeigt. Die wochenlange Gluthitze staute sich in den Städten, kroch in Mauerwerke und brachte selbst Asphalt zum Schmelzen. Solche Hitzewellen sind eine Folge des voranschreitenden Klimawandels und werden wohl keine Ausnahme bleiben. Selbst in gemäßigten Temperaturzonen stellt sich also zunehmend die Frage, wie man Gebäude im Sommer angenehm kühl hält. Und zwar am besten, ohne dabei auf stromintensive Klimaanlagen zurückzugreifen. Da kommt vielleicht eine Erfindung aus den USA gerade zur rechten Zeit, die sich eine bestimmte Eigenschaft einiger Farben zunutze macht: ihre Reflexionsfähigkeit.
Weiße Farbe strahlt Sonnenlicht besonders gut zurück, entsprechend gefärbte Oberflächen erhitzen sich nicht so stark. Ein Effekt, der schon lange etwa von Architekten, Designern und Modemachern genutzt wird. Forscher*innen der Purdue University haben diesen Farbeffekt nun eindrucksvoll verstärkt. Sie haben eine ultra-weiße Wandfarbe entwickelt, die sogar kühlen kann. Dieses Weiß reflektiert bis zu 98,1 Prozent des sichtbaren Sonnenlichtes und bleibt selbst in der größten Mittagshitze 4,5 Grad unter der Umgebungstemperatur. Das übertrifft, so berichten die US-Forscher*innen in ihrer Veröffentlichung, alle reflektierenden Weißtöne, die es bislang zu kaufen gibt. Diese könnten zwar bis zu 90 Prozent des Sonnenlichtes zurückwerfen – „sie können aber keine Oberflächen kühler als ihre Umgebung machen.“
Coole Erfindung gegen Erderwärmung
Mit ihrer „coolen“ Erfindung wollen die Wissenschaftler*innen gezielt dazu beitragen, die globale Erderwärmung abzumildern. Tatsächlich zeigte sich dieses bisher weißeste Weiß der Welt in den Laborversuchen durchaus praxistauglich und dabei mit beachtlichem Kühlungspotenzial. Mitautor Xiulin Ruan, Professor für Maschinenbau an der Purdue University, rechnet vor: „Wenn man diese Farbe verwendet, um eine Dachfläche von gut 90 Quadratmetern zu bedecken, könnte man schätzungsweise eine Kühlleistung von 10 Kilowatt erhalten.“ Das sei „leistungsfähiger als die zentralen Klimaanlagen, die in den meisten Häusern verwendet werden“.
An der Formel für das Super-Weiß haben Wissenschaftler*innen schon seit den 1970er-Jahren immer wieder geforscht. Schließlich ist bekannt, dass Farben als passive Kühltechnologie eine große Wirkung besitzen. Konsequent genutzt, könnte man so die Kosten für die Raumkühlung senken, die Überhitzung von Plätzen in der Stadt vermeiden und der globalen Erderwärmung entgegenwirken. Doch auf der Suche nach einer alltagstauglichen Farbe, die tatsächlich herunterkühlt, tappten die Wissenschaftler*innen bislang im Dunkeln.
Die Infrarotkamera zeigt den Unterschied: Die weiße Farbe in der Mitte kühlt die Fläche ab.
Eine ganz besondere Mischung
Nun aber scheint die magische Mixtur gefunden. Zwei Kniffe machen dieses Weiß so wirkungsvoll. Der erste ist, Bariumsulfat in einer hohen, aber nicht zu hohen Konzentration zu verwenden. Das Weißpigment hat eine enorme Reflexionsfähigkeit. Wird es aber in zu hoher Konzentration verwendet, leidet die Streichfähigkeit der Farbe. Der zweite Kniff besteht darin, unterschiedlich große Partikel des Sulfates zu mischen. „Eine hohe Konzentration von Partikeln, die auch unterschiedliche Größen haben, verleiht der Farbe die breiteste spektrale Streuung, die zum höchsten Reflexionsvermögen beiträgt", sagte Joseph Peoples, Purdue-Student und Mitwirkender an der Studie. Diese besondere Mischung sorgt also dafür, dass dieses Weiß so ultra-weiß ist. Eine Farbe, die sogar Infrarotlicht abstrahlt und eben wegen ihres hohen Weißgrades „die kühlste aller Zeiten ist“.
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